EYOC Naturfreunde Wien Team
Berichte

EYOC 2014 in Strumica – die persönliche Nachbetrachtung eines Zuschauers/Trainers

EYOC Naturfreunde Wien Team

Ein Bericht von Ernst Bonek

Mit siebenAthleten/Athletinnen, die sich für die European Youth Orienteering Championships 2014 in Mazedonien qualifiziert hatten (http://www.oefol.at/detail-news/details/jugend-europameisterschaft-in-mazedonien.html),  waren die Naturfreunde Wien wieder einmal sehr gut bei einer internationalen Jugendveranstaltung vertreten.

Die zentrale Straße Strumicas trägt den Namen Marschall Tito. Und noch viel Anderes erinnert an das alte Jugoslawien. Die vielen Eselskarren und Pferdefuhrwerke zeugen davon , dass Mazedonien eine der ärmeren ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens ist. In der österreichischen Bundeshymne singen wir „heiß umfehdet, wild umstritten“ – genau dasselbe gilt für die Region Mazdonien. Die Mazedonier suchen ihren Platz in der Gemeinschaft/Feindschaft der umliegenden Völker seit über 2000 Jahren – die Griechen neiden ihnen Alexander den Großen, die Bulgaren meinen, Makedonisch wäre ein bulgarischer Dialekt, die wachsende Minderheit der Albaner (mit starkem Selbstbewusstsein) lebt mit der slawischen Mehrheit in Spannung, die Serben wollen die mazedonisch-orthodoxe Kirche als Teil der eigenen Nationalkirche sehen,….

Wie unsere Jugendlichen hatte ich viel Zeit und Energie in das Training und die Vorbereitung gesteckt. Um meine Schützlinge nicht durch Erwartungen irgendwelcher Art meinerseits unter Druck zu setzen, auch nicht unbewusst, entwickelte ich tatsächlich keine Platzierungs-Erwartungen. Ich konnte mich also nicht einmal unwillkürlich verraten. Klar war, dass die Jugendlichen sehr wohl Erwartungen hatten, aber die behielten sie für sich. Nur Anika verplapperte sich einmal in der Vorbereitungsphase, als sie auf meine Feststellung, zu einem Sieglauf benötigt es mehr als nur die eigene Spitzenleistung, nämlich kleine Fehler der Konkurrenten, antwortete: „Ja, aber für ein Diplom sollte die eigene Leistung schon reichen.“ Also,  offiziell einigten wir uns darauf, dass das Ziel einfach gute Läufe sind, mit denen die Jugendlichen selbst zufrieden sein können.

Die Leistungsdichte im internationalen Jugend-OL ist enorm. Wenn man nur österreichische Läufe kennt, kann man sich gar nicht  vorstellen, dass man mit einer zusätzlichen Minute Rückstand im Sprint 20 Plätze verlieren kann. In fast allen Ländern sind die Jugendlichen technisch hervorragend ausgebildet und viele sind läuferisch einfach Spitze. Und mit 33 teilnehmenden Nationen und rund 100 Teilnehmer in jeder Kategorie war die EYOC 2014 hervorragend besetzt, auch wenn die Schweden und Norweger nur die Kategorien D18 und H18 beschickten (www.eyoc2014.mk/?page_id=152).

Der steile Buchenwald bei der Langdistanz kam unseren Läufern insofern entgegen als er ihnen vom Wienerwald einigermaßen vertraut war.  Natürlich waren auch die Tschechen, Ungarn und Schweizer in diesem Gelände „zuhause“ und, zu meiner großen Überraschung, brillierten auch die Finnen.  Sie gewannen sogar die Teamwertung. Mit Olli Ojanaho, Sieger in H18 mit vier Minuten Vorsprung,  obwohl erst erstes Jahr in H18,  ist ein Ausnahmeathlet unterwegs.

Clemens rief sein Leistungspotential zum richtigen Zeitpunkt ab. Schon mit seinem  26. Platz beim Sprint, weniger als 40 Sekunden hinter einem Top Ten-Platz, übertraf er seine Erwartungen. Wäre aber nicht Clemens, wenn er nicht dennoch ein wenig unzufrieden mit sich gewesen wäre und den einen oder anderen Fehler gerne ungeschehen machen würde. Seine Langstrecke, auf der er als 40. bester Österreicher war, seht Ihr auf seiner Karte, mit interessanten persönlichen Kommentaren zu jedem Posten.

Dominik kam nicht so gut in Fahrt wie 2013 in Portugal, aber er kann sich damit trösten, dass er im vergangenen Schuljahr sehr viel für seine Ausbildung investiert hat. Und ein HTL-Besuch ist ja doch ein Vollzeit-Job, der wenig Zeit fürs Training lässt; das musste z.B. auch Mani Braun bei seiner ersten EYOC erfahren. Das Erreichen der Qualifikation war für Dominik aber sicher ein großer Erfolg. Ich glaube, mit seiner Sprint-Leistung kann er zufrieden sein.

Auch Tina wertete die Qualifikation an sich als Erfolg, den sie sich sehr verdient hat.  Jannis konnte im Vorfeld der EYOC nicht immer so hart trainieren, wie er es sich vorgenommen hatte. Ich glaube, dieses Wissen setzte ihm mehr zu als  der vermeintliche Trainingsrückstand selbst. Schon der Sprint lief nicht nach seinen Erwartungen, aber da er doch einen 33. Platz erlief, dachte er, bei der Langstrecke geht noch mehr. Aber genau hier liegt ein Fehlschluss vor: bei einem internationalen  Wettkampf darf man sich nicht vornehmen, schneller zu laufen als sonst! Bei der Staffel erging es Jannis schon wieder besser. Für ihn  war es, wie für Clemens und Tina, die erste EYOC. Sie alle haben wichtige Erfahrungen für die nächsten Male gesammelt, die da sicher noch kommen werden.

Florian war bei seiner zweiten EYOC schon erfahrener. Er wusste um die psychische Belastung, stundenlang in der Quarantäne am Start warten zu müssen. Auch er konnte bei der Langstrecke, die er als Hauptwettkampf sah, sein Potential voll abrufen.

Sprint:
Es war sehr heiß, die angegebenen 32 ° Lufttemperatur spiegeln nicht die gefühlte Hitze wieder, die von den in der prallen Sonne liegenden Straßen aufstieg. Ich bin den Zuschauerlauf nicht gelaufen, kann also wenig urteilen, aber nach den Läuferberichten war der Sprint überraschend schwierig, enthielt einige Routenwahlen bereit und war durch nicht leicht erkennbare  Durchgänge gegen Schluss sehr anspruchsvoll. Anika fand exakt das richtige Tempo („so schnell laufen, dass man mit dem Kopf noch mitkommt, nicht schneller, aber auf jeden Fall auch nicht langsamer“) und belegte sensationell den 9. Platz. Jasmina war mit ihrem Lauf nicht zufrieden, aber umso überraschter, als sie dennoch 14. wurde.  Tina legte ein gute Leistung in ihrer Lieblingsdisziplin , mit der sie zufrieden sein konnte, auf den in der Sonne glühenden Asphalt hin und belegte den 43. Platz. Unsere Burschen warten nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut und daher unzufrieden. Am besten schnitt von unseren Burschen Clemens mit einem 26. Platz ab, Jannis wurde 33. , Dominik erreichte mit  einem  43. Platz zumindest sein Ziel, in der ersten Hälfte der Ergebnisliste zu landen, Florian war mit seinem 66. Platz (in H18) nicht zufrieden. Anika war beflügelt von ihrem guten Abschneiden in ihrer, nun ja, nicht gerade Paradedisziplin. Jasmina hingegen war verärgert über eine Unsicherheit gleich am Anfang. Das schien sie aber nur für die Langdistanz am nächsten Tag zu motivieren.

Langdistanz:
Werner, jetzt schon erfahrener Delegationsleiter,  durfte den Startbereich, wo er die Läufer(innen) während der kritischen Quarantänephase betreute, erst nach dem allerletzten Läufer verlassen. Die IOF ist da sehr streng, auch alle Handys sind verboten, damit ja keine Rückmeldung von Läufern aus dem Ziel zum laufenden Start gelangt.

Im Ziel nahmen Franz Nagele („Näschonel“) und Physiotherapeutin Steffi Killmann die erschöpften Läufer(innen) liebevoll in Empfang und spendeten Ruhe – und Trost, wenn nötig. Sie ließen sich von den unerhört steilen Bahnen mit schwierigen Routenwahlen erzählen. Tina war schon bei der Busfahrt mit den vielen Kurven schlecht geworden, während des Laufs musste sie sich übergeben. Gratulation, dass du durchgehalten hast! Florian hingegen schaffte einen fast fehlerfreien Lauf auf der enorm anspruchsvollen H18 Strecke (5,5 km und 375 (!)Höhenmeter) und freute sich zurecht über seinen 41. Platz. Georg Gröll war natürlich traurig, dass er fehlstempelte; er war aber nicht der Einzige in H16: nicht weniger als sieben anderen passierte dasselbe Missgeschick auf derselben Bahn.

Der Tag nahm seinen Lauf bis der Lautsprecher plötzlich, laut  Zwischenzeit beim vorletzten Posten, ankündigte, Jasmina Gassner aus Österreich läuft um den 2.Platz. Wie elektrisiert liefen wir alle zum letzten Posten, von wo aus man die Läuferinnen schon einige Hundert Meter sehen konnte. Tatsächlich kam Jassi aus dem Wald, bog auf die sumpfige Wiese, über den letzten steilen Graben und dann in den Zieleinlauf. Wir schrien uns die Seele aus dem Leib und Jassi lief  – wieder schneller als ihre unmittelbaren Konkurrentinnen und viele Burschen – ins Ziel. „2.Platz“, bestätigte der Platzsprecher für Jasmina, die von uns allen beglückwünscht wurde. Nur mehr drei Läuferinnen, die Jassis Platz hätten gefährden können. (Auch ein Vorteil der letzten Startgruppe, wie die Gassner-Mädchen meinen, da weiß man gleich im Ziel , wie man dran ist. Obwohl ich immer zu bedenken gebe, dass in südlichen Ländern die Hitze da am ärgsten ist.)

Anika war eine Viertel Stunde nach ihrer Schwester gestartet und hatte dazu noch die längere Strecke. Wie würde sie den 4,4 km langen Kurs mit 250 Höhenmetern bewältigen? Würde sie sich ihren Traum erfüllen können? Die Bestzeiten lagen knapp über 50 Minuten und wir blickten immer erwartungsvoller auf die Uhren. Ja, dann wirklich der Platzsprecher, „Anika Gassner from Austria is running for fifth place!“ und sie schaffte es. Originalzitat Anika: „Es ist ein echt tolles Gefühl, wenn man im Zieleinlauf läuft und weiß, dass man auf einen Diplomplatz läuft. Dann bin ich gleich doppelt so schnell gelaufen, und im Ziel war ich zwar völlig fertig, aber überglücklich, dass ich mein geheimes EYOC-Ziel erreicht habe! Dann lohnt es sich echt, so viel Zeit ins Training zu stecken!“

Staffel:
Bei den Staffeln lief es für die Österreicher durchwachsen, obwohl Werner richtig bemerkte, dass sich alle Staffeln gegenüber dem Vorjahr platzmäßig verbessert hatten (http://www.oefol.at/detail-news/details/eyoc-2014-staffel.html).  In beiden Burschenklassen meinten alle Läufer, dass ihnen eigentlich kein wirklich guter Lauf gelungen wäre. Zwar waren Jannis als Gesamt 24-Schnellster und Clemens als 27.  ergebnismäßig gut unterwegs, aber beide klagten wie Georg über unnötige Suchaktionen. Eine einzige weniger hätte wohl einen traumhaften  Diplomplatz eingebracht. Das Gelände war sehr grün und dornig, nach meinem Dafürhalten sogar tückisch. Urteilt nach der Postennetzkarte (Jannis’ Route eingezeichnet) selbst. Man hätte die gesamte Zeit mit angezogener Handbremse laufen müssen – aber wer kann das schon bei der allgemeinen Hektik einer Staffel?

Die Gassner-Eltern waren gekommen, um ihre Töchter zu sehen – und versäumten ihre Siegerehrung um Minuten. So auch ich, weil der Publikumslauf ungünstig angesetzt war und ich viel schneller hätte laufen müssen. Aber ich war auch so glücklich. Diplome für 2 Teilnehmer,  7 Starter, eine tolle Ausbeute. Und wer weiß, wer das nächste Mal dran ist, bei der Schulweltmeisterschaft nächsten April in der Türkei oder der EYOC 2015 in Cluj/Klausenburg in Rumänien.  Auch Florians Vater war bei der Staffel dabei und hat unsere Läufer angefeuert. Besonders in Antalya um Ostern nächstes Jahr erwarte ich eigentlich noch mehr Eltern als Zuschauer.

Insgesamt hatten die Mazedonier die EYOC 2014 recht gut organisiert, besonders die hervorragende Kartenqualität ist zu loben. Dass das Gelände der Langdistanz an steile Partien im Wienerwald erinnerte, war für unser Jugendliche sicher kein Nachteil. (Jasmina freute sich über viele steile  Bergabstrecken!) Lasst euch von den Athleten selbst erzählen, wie sie die – eigenen – Wettkämpfe empfunden haben. Die Daheimgebliebenen waren zu recht unzufrieden mit dem Internetauftritt der Veranstaltung. Die Server fielen laufend aus, die Ergebnisse ließen sehr lang auf sich warten. Die Publikumsläufe wurden eher oberflächlich abgewickelt. Erik, der seine Freunde rege anfeuerte, wenn er nicht gerade seinen e-book reader in der Hand hatte, war der Star seiner Klasse H-14, bis auf die Mitteldistanz, bei der ihm ein 18-Jähriger (ja wirklich!) den Rang ablief (http://strumicaopen.mk/?page_id=152). Beim abschließenden World Ranking Event, das am Sonntag nach der EYOC in einem schrecklichen Wald, nein überhaupt kein Wald, nur gelb-grün und Steine, ging nach vielen Jahren erstmals wieder Ferri in H21 an den Start. Trotz Wadenzerrung erreichte er einen hervorragenden 6.Platz!

Was können wir lernen? Bei einem wichtigen internationalen Wettkampf dabei sein zu können, ist großartig. Man darf sich aber nicht zu viel vornehmen. Dazu Anika: „Wir müssen „nur“ das, was wir alle sowieso super können, beim richtigen Lauf umsetzen, dann hat jeder die Chance gut zu sein. (Bisschen trainieren ist auch nicht so unwichtig.)“

Routen und einige Fotos gibts unter: Fotos

Jannis : Staffel Route
Jassi, Anika, Flo: Langrouten
Clemens: Langroute
Dominik: Stadtroute
Tina: Sprintroute