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Der Weg zu Silber ist 84km lang, hat 4200 Höhenmeter und endet nach 24 Stunden

09. September 2022

 

Wenn du WRC2022 über eine Suchanfrage im Internet suchst, landest du wahrscheinlich auf der Seite der FIA World Rally Championship. Dort gibt‘s auch Strecken mit ca. 70 bis 100 km pro Tag – und doch findest du uns dort nicht in der Ergebnisliste.

Es gab aber heuer noch diese WRC2022 – die World Rogaining Championships, die vom 26.-27. August 2022 mit rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 21 Nationen im Grenzgebirge zwischen Tschechien und Polen nördlich von Olomouc stattgefunden haben. Mit dabei waren Peter und Ferri, sowie Lolli mit Erik Adenstedt und noch 3 weitere Teams aus Österreich. Es warteten 84 km mit 4200 Höhenmetern in 24 Stunden. 

Rogaining ist eine ganz besondere Form des Orientierngslaufes, die in den 1970er Jahren in Australien erfunden wurde. Das Wort Rogaining ist eine Abkürzung und steht für „Rugged Outdoor Group Activity Involving Navigation and Endurance“. Rugged bedeutet wild, rau, schroff. All das traf auch auf die Rogaining Weltmeisterschaft 2022 im Reichensteiner Gebirge zu, von der Ferri berichtet:

Die Regeln: Bei einem Rogaining-Bewerb hast du als Team (bestehend aus mind. 2 und max 3. Mitgliedern) 24 Stunden Zeit, um möglichst viele OL-Posten mit möglichst vielen Punkten anzulaufen („anzugehen“). Es gibt keine Vorgaben und nahezu keine Pflichtausrüstung – heuer war es nur ein Pfeiferl, ein SI-Chip pro Person, ein GPS-Empfänger pro Team (heuer gab es auch eine GPS Live-Übertragung) und ein Ausweis, da der Lauf in TCH und PL stattgefunden hat. Eigene GPS-Uhren oder Handys müssen „verschweißt“ werden und dürfen nur in Notfällen verwendet werden – wir haben darauf verzichtet. Gestartet wir um 12:00 Uhr zu Mittag – die Karten für die Planung bekommt man 2 ½ Stunden davor. Bei der Planung achtet man darauf möglichst viele Punkte mit hohen Werten zu erreichen (die natürlich meist weit weg vom Start/Zielbereich liegen) und doch rechtzeitig am Folgetag zu Mittag zurück zu sein.

Das Gelände und die Karte: Die Karte umfasste ein Gebiet von rd. 300km² auf einer Höhe von ca. 500m bis 1400m. Die Karte hatte diesmal den Maßstab 1:30.000 mit 10 m Äquidistanz und vier Farben – Grün als Darstellung für den Bewuchs fehlt. Das Gelände hat uns an eine Mischung aus „Wechselgebiet“ und „Hebalm“ erinnert. Knapp unter der höchsten Erhebung, dem Králický Sněžník (Glatzer Schneeberg) entspringt übrigens die March. Viele Deutsche Namen und auch viele Befestigungsanlagen aus dem Krieg zeugen von der umkämpften Sudetendeutschen Vergangenheit in dieser Region.

Die Vorbereitung: Ich habe die gemeinsame Teilnahme Peter zum Geburtstag geschenkt, daher habe ich diesmal auch mehr Zeit in die Planung gesteckt. Für mich war es mittlerweile die 5. Rogaining-Teilnahme (vier davon mit Peter, eine mit Thomas). Peter hat Rogaining vor vielen Jahren in Kanada kennengelernt und so haben wir gemeinsam vor genau 20 Jahren an unserem ersten Rogaining-Bewerb (damals ebenfalls in Tschechien) teilgenommen. Die erste WRC hat 1992 in Australien stattgefunden, heuer wurde die 17. WRC ausgetragen.

Die Erfahrungswerte: Aus unseren früheren Erfahrungen wussten wir, dass wir ca. 110 bis 120 Leistungskilometer schaffen können. Wir haben im Vorfeld mit der Wanderkarte und dem Naturfreunde Tourenportal (outdooractive) ein paar Routen geplant und wussten, dass wir bei ca. 90 km mit mindesten 3500 Hm rechnen müssen. Wir haben uns vorgenommen nicht zu schlafen und die 24 Stunden wirklich unterwegs zu sein. (Es gibt immer auch die Option zum „Hashhouse“ im Start/Zielbereich zurückzukommen, wo es Verpflegung gibt und auch die Zelte der Teilnehmer stehen.)

Der Rucksack: Die Ausrüstung haben wir minimiert, sodass der Laufrucksack nur 5 kg hatte. (davon ca. 1,5 kg Nahrung (hauptsächlich Sportriegel und Gels), 1 l Flüssigkeit, Laufstöcke, Wechselgewand, Nachtlampe und als Luxus eine Kamera)

Der Wettkampf: Wir sind bei idealen Lauftemperaturen gestartet und haben die von uns geplante (und vorher exakt eingezeichnete) Strecke heuer ideal umsetzen können und am Ende sogar 3 Posten mehr geschafft. Gebremst wurden wir kurz durch ein extremes Hagelgewitter mit Blitzeinschlägen in unmittelbarer Nähe und 1 cm großen Körnern (um uns unterzustellen und Pause zu machen war uns aber zu kalt) und in der Nacht durch ein extremes Fichtendickicht – wir waren uns einig, dass wir noch nie bei einem OL so im Dickicht gesteckt sind….)

Peter und ich haben uns ideal ergänzt, waren konditionell gleich stark und wir haben zum Glück auch keine großen Postensuchaktionen gehabt, was bei einer 30.000er Karte in der Nacht nicht selbstverständlich ist. Die Schmerzen waren erträglich und die Oberschenkel konnten wir durch die Stöcke etwas entlasten. Nach 23 Std. und 11 min. hatten wir aber dann doch genug und sind nach 84 km und 4200 Hm ins Ziel gegangen. „Gegangen“ stimmt wirklich, weil Laufen nach 24 Std. nicht mehr drinnen war. Von den 84 km sind wir ca. ¼ gelaufen, den Rest schnell gegangen. Laut GPS waren wir 20 Std. in Bewegung. Die längsten Pausen waren ca. 20 min lang.

 

Das Ergebnis: Für uns am wichtigsten war, dass wir wieder gemeinsam ein tolles Abenteuer in einer sehr schönen Gegend erlebt haben (siehe Fotos – leider hat der Fotoapparat nach dem Gewitter nur mehr bedingt funktioniert) und uns nicht komplett zerstört haben. Dass wir am Ende den 2. Platz und somit die WM-Silbermedaille in der Kategorie „MSV – Superveterans“ (ab 55) erreicht haben, war eine schöne Bestätigung unserer Leistung, aber kein Ziel im Vorfeld.

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