Berichte

Alt, aber gut – World Masters Orienteering Championships 2019 in Riga

20.Juli 2019

 

Blau. Gelb. Grün. Drei Farben dominieren. Bestimmen die Eindrücke. Bestimmen auch die Richtung: Grün ist links. Gelb ist unten und vorne. Blau ist oben und rechts. Diese Farbenlehre gilt am letzten Tag der Senioren-Weltmeisterschaft 2019 in Lettland. Am Tag des Langdistanz-Finales. Dieser Tag ist Freitag, der 12. Juli. Über 3.500 Läuferinnen und Läufer aus mehr als 40 Nationen beleben die Arena, darunter sind auch Anneliese & Ernst, Inge, Günther & Maria, Lolli, Manuela, Denise & Nici sowie Babsi & Boris, die die Abordnung des Naturfreunde Wien-Orienteering Teams bilden. Nach Riga sind es rund 35 Kilometer, an den Strand von Lilaste nur wenige Meter. Und jetzt kommen Blau, Gelb und Grün ins Spiel.

Auf dem Weg zum Start stapfen wir 2 Kilometer durch den feinen Sand. Direkt an der Wasserlinie hat sich eine endlose, von sportlichen und hochmotivierten Menschen gebildete „Ameisenstraße“ formiert. Links ist es grün. Wald. Unten und vorne ist es gelb. Sand. Und oben und rechts ist es blau. Himmel und Meer. Der Strandspaziergang ist eine ebenso außergewöhnliche wie allerletzte Renn-Vorbereitung einer außergewöhnlichen Woche. Außergewöhnlich schön.

Am 6. Juli wird die Senioren-WM mit der Sprint-Qualifikation eröffnet. Ein paar Straßenbahnstationen vom Stadtzentrum entfernt laufen wir erst durch eine Wohnsiedlung, die östlichen Plattenbau-Charme versprüht, dann durch Bereiche mit kleinen Häusern, Hütten und Gärten, um am Ende der Sprintstrecke die letzten Posten in einem gepflegten Park zu finden und das Ziel im halben Rund einer Freiluft-Bühne zu erreichen. Technisch waren die Bahnen nicht allzu schwierig, trotzdem nutzen einige die Gelegenheit, Fehler zu machen, um so Zeit zu verlieren und den möglichen Platz im A-Finale zu verspielen.

Nach einmal schlafen ist Sonntag. Es ist kühl, zunächst regnet es, später gibt es sogar ein Hagelgewitter an diesem 7. Juli. Das hält uns aber nicht davon ab, die wunderschöne Altstadt von Riga laufend kennenzulernen. Alt, aber gut. Es ist ein UNESCO-Weltkulturerbe-Sprint. Direkt nach dem Start geht es nach „Vecriga“, in den historischen Stadtkern. Das Kopfsteinpflaster ist glitschig, der Blick auf die Karte gerichtet. Wir alle werden in dieser Woche den Bereich zwischen Dom und Schwarzhäupterhaus, vom Ufer der Daugava bis zu den „3 Brüdern“ noch mehrfach besuchen. So schön ist es hier. Enge Gassen, herrliche Plätze, unzählige sehenswerte historische Gebäude, zahllose Schanigärten und Lokale. In einem solchen können viele Läuferinnen und Läufer, die sehr gut unterwegs waren, nach dem Rennen ihren Frust „ertränken“. (So wie Babsi: als Qualivorlauf-Siegerin kam sie im Finale als 7. ins Ziel). Denn in den meisten Klassen gibt es keine Weltmeister, keine Medaillengewinner. In den meisten Klassen werden die Ergebnisse annulliert. Ein auf der Karte offen eingezeichneter Durchgang in einen Bereich mit mehreren Hinterhöfen ist versperrt, Besitzer und/oder richtiger Schlüssel sind nicht aufzutreiben. So entscheidet sich die Jury am Nachmittag gegen eine Wertung des Rennens.

Am Dienstag ist der Sprint Geschichte und vergessen. Am 9. Juli wird es im Wald erstmals ernst. Im Wald, der auf den schönen lettischen Namen Bumbukalns hört. Am nördlichen Stadtrand von Riga haben sich Kiefern und Föhren zu einem herrlichen Märchenwald mit sandigen Abschnitten und Dünen und auch typisch nordisch kupierten Bereichen mit Moosboden und Heidelbeersträchern zusammengerottet. Die Qualifikation für Mitteldistanz- und Langdistanz-Finale ist ein Genuss. Lauferlebnis schlägt Fehler-Ärger. Fast bei allen. Wenig Frust müssen Manuela, Babsi und Ernst verarbeiten, denn die drei qualifizieren sich für das Mitteldistanz-A-Finale. Da kann man sich schon in einer Konditorei in der Fußgängerzone des nahen Badeortes Jürmala mit einem herausragenden Brownie belohnen. Oder mit einem Strandspaziergang. Oder mit einer kleinen Wanderung durch die endlose Sumpflandschaft des Kemeri Nationalparks. Der ist auch gleich um die lettische Ecke.

Nächster Tag, selber Wald, andere Karte, anderer Charakter. Wer wenig Erfahrung in so herrlichen Laufgebieten hat, verirrt sich schnell im fein geschnittenen Höhenlinien-Labyrinth. Das Mitteldistanz-Finale am 10. Juli ist technisch anspruchsvoll, aber trotz aller Herausforderungen das nächste wunderbare Lauf-Erlebnis. Für die besten Naturfreunde-Ergebnisse sorgen Ernst [M75] und Manuela [W50] mit jeweils Platz 22 im A-Finale. Das ist stark.

Und wenn du denkst, besser kann es nicht werden, dann fahr am 12. Juli die 35 Kilometer von Riga nach Lilaste an der Küste der Ostsee. Belebe die Arena „Garezeri“. Marschiere die 2 Kilometer an der Wasserlinie zum Start. Erlebe das Farbenspiel. Grün. Gelb. Blau. Und laufe das Langdistanz-Finale im herrlichen Küstenwald. Mal geht es nah an den Sandstrand heran, mal durch Sümpfe, dann durch einen tiefen Graben, der sich durch die Karte zieht oder an kleinen Seen entlang. Viele Details verfeinern das weiße Kartenbild. Es ist der tolle Abschluss einer tollen Woche, die Babsi [W45] mit dem sensationellen 10. Platz im A-Finale krönt. Alt, aber gut. Manuela [W50] läuft auf Platz 36, für Ernst gibt diesmal Rang 72. Die anderen schlagen sich (mehr oder weniger) gut durchs und im B-Finale. Haben wieder einen Lauf erlebt, an den man sich lange erinnern wird. Stehen mit einem Lächeln im Ziel. Und spielen mit dem Gedanken, die 2 Kilometer zum Start gleich nocheinmal zu gehen. Denn grün, gelb und blau noch einmal zu erleben und zu genießen, das wär schon was. Wär so schön und außergewöhnlich.

Ergebnisse

Fotos